Stellungnahme zur aktuellen politischen Lage der Türkei

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Voraussichtlich am 16. April wird die türkische Bevölkerung darüber entscheiden, ob sie der von Präsident Erdoğan und seiner AKP initiierten Verfassungsänderung zur Einführung eines Präsidialsystems zustimmt oder nicht. Wir, die Fachschaft Politik der Universität Freiburg, sprechen uns hiermit klar gegen das Vorhaben und somit für ein „HAYIR“ (zu dt. „Nein“) aus. 
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Es gleicht einer langen Tradition, dass politische Oppositionelle und Angehörige von Minderheiten in der Türkei in ihren Grundrechten beschnitten werden und unter unfairen Gerichtsverfahren, sowie unwürdigen Haftbedingungen leiden (vgl. Amnesty International Jahresbericht 2010). Spätestens seit den Gezi-Park Protesten 2013 führt das türkische Regime einen autoritären Stil im Umgang mit all jenen, die nicht seiner politischen Leitlinie folgen. Friedliche Demonstrationen werden mit Gewalt durch Polizeibehörden niedergeschlagen, die Meinungs-, Presse- und Redefreiheit massiv eingeschränkt und das Antiterrorgesetz zur Beseitigung unliebsamer Bürger*innen missbraucht. Die Berichte von etlichen Betroffenen und Menschenrechtsorganisationen belegen entsprechende Taten eindeutig. Umso eklatanter ist es, dass die westlichen Demokratien sich bisher mit Reaktionen immer zurückgehalten haben und die Menschenrechtsverstöße der Türkei schlicht übersehen.
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Nun, als Folge des gescheiterten Putschversuchs durch Teile des Militärs 2016, hat sich die Lage in der Türkei erneut um ein Vielfaches verschärft. Die autoritären Tendenzen der AKP-Regierung werden auf eine Art in aller Öffentlichkeit ausgetragen, die bis vor Kurzem undenkbar schien. Anlässlich der jüngsten Geschehnisse nutzt die politische Führungselite alle Möglichkeiten, um die Verfolgung Andersdenkender weiter zu stärken und ihre eigene Macht auszubauen. Tausende Staatsbedienstete wurden von Behörden, Ämtern und Schulen teils suspendiert, teils wurden ihnen Berufsverbote auferlegt. Hinzu kommen Inhaftierungen, deren Begründungen oft nicht nachvollziehbar sind oder gar fehlen. In der Haft drohen den Menschen nicht nur unwürdige Bedingungen, sondern auch Folter.
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So wurde auch auf die Justiz seitens des türkischen Regimes starker Einfluss ausgeübt und in ihr Handeln und Bestehen eingegriffen. Dadurch wird der Rechtsstaat in Teilen ausgehebelt. Selbst der unter diplomatischer Immunität stehende Richter des UN-Tribunals, Aydın Sefa Akay, wird von der Türkei unrechtmäßig gefangen gehalten. Die Pressefreiheit konnte derart der Zensur und Kontrolle unterworfen werden, dass auf Initiative des Staates etliche Medienhäuser geschlossen wurden und somit ihre Arbeit einstellen mussten. Daneben werden Journalist*innen und andere für einen kritischen Diskurs wichtige Menschen so sehr unter Druck gesetzt, dass diese ihrer Arbeit nur eingeschränkt nachgehen, diese aufgeben oder gar ins Ausland fliehen, wie der in Deutschland mittlerweile bekannte Publizist Can Dündar. Auch der Journalist Deniz Yücel, Inhaber deutscher und türkischer Staatsbürgerschaft, gehört zu den vielen Menschen, die zweifelhafter Weise in Haft sitzen und ihrer Freiheit beraubt werden. Die türkische Judikative kann mittlerweile nicht mehr als unabhängig von der Regierung gelten.
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Weiterhin versucht die Türkei schon seit langem direkten Einfluss auf die Politik und Gesellschaft in Deutschland (und anderen Staaten) dadurch auszuüben, indem die AKP-Regierung deutliche Appelle sendet. Im Falle der Armenien-Resolution des Bundestags wurden deutsch-türkische Politiker*innen massiv beleidigt und bedroht – nicht nur durch die AKP-Regierung, sondern auch durch ihre Anhängerschaft. Die neuesten Entwicklungen bezüglich der Referendumswerbung in Deutschland und den Niederlanden zeigen, dass die türkische Regierung auf Konfrontation aus ist und versucht, ihren Willen durch Drohungen undiplomatisch durchzusetzen. Dabei mag man zu den Wahlkampfauftritten in Deutschland stehen wie man will – Vergleiche mit der Nazi-Herrschaft überschreiten jedoch die Grenze des Anstands und sind völlig deplatziert. Mit absurder Polemik und hetzerischer Rede versucht der türkische Staat die türkische Bevölkerung gegen verschiedene Feindbilder aufzuwiegeln, um die Menschen für ihr autokratisches Vorhaben zu gewinnen
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Letztlich dient das Referendum zu nichts anderem, als einem Ausbau der Macht Erdoğans und seiner Getreuen. Dieser Staatsführung, die demokratische Grundideen und Freiheiten mit Füßen tritt, wird so der Weg zu noch autoritäreren Regierungsmöglichkeiten geebnet. Demokratie und Rechtsstaatlichkeit eines Staates und dessen Mehrheitsgesellschaft müssen sich immer daran messen, wie mit Minderheiten und Andersdenkenden umgegangen wird. Für die Fachschaft Politik sind die politischen Entwicklungen in der Türkei alarmierend und wir solidarisieren uns mit all jenen, die durch Erdoğan und die AKP-Regierung in ihren Menschenrechten beschnitten werden, um ihr Leben fürchten und unter Verfolgung leiden. Denn „Freiheit ist immer Freiheit des Andersdenkenden (Zitat: Rosa Luxemburg).“